- Die Geschichte der Juden in Deutschland von Arno Herzig, Cay Rademacher
Jüdische Gemeinde Bad Nauheim
Quelle: Zentralrat der Juden in Deutschland
Juden in Bad Nauheim:
Die Anfänge jüdischen Gemeindelebens in Nauheim datieren wie in vielen Ortschaften der Wetterau in das ausgehende Mittelalter, vermutlich ins 14. Jahrhundert. Von 1468 bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts lebten einige wenige jüdische Familien in dem damals noch unbedeutenden Dorf; im 18. Jahrhundert siedelte sich erneut eine kleine jüdische Gemeinde an. Erst mit Beginn des Aufstiegs der Stadt zu einem Kurort von internationalem Rang nahm ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Zahl der in Bad Nauheim lebenden Juden stark zu; zahlreiche jüdische Ärzte und Geschäftsleute ließen sich in der aufstrebenden Badestadt nieder; 1867 wurde eine erste Synagoge eingeweiht. In den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg kamen besonders viele orthodoxe Juden aus ganz Europa zu Kuraufenthalten nach Bad Nauheim; die Einrichtung einer jüdischen Kinderheilstätte, israelitischer Männer- und Frauenkurheime trugen den Bedürfnissen der Gäste Rechnung. Aufgrund der Beliebtheit der Stadt bei jüdischen Kurgästen und des zahlenmäßigen Wachstums der ortsansässigen jüdischen Gemeinde entschloss man sich Ende der 20er Jahre zu einem Synagogenneubau.
Das 1929 fertiggestellte repräsentative Gotteshaus wurde in damals äußerst fortschrittlichen Architekturformen im Stil der neuen Sachlichkeit gestaltet; das Gebäude zählt zu den letzten in Deutschland vor dem Beginn der NS-Diktatur errichteten Synagogen. Nach Hitlers Machtergreifung ging die Zahl der jüdischen Einwohner Bad Nauheims nach kurzzeitigem Anstieg schnell zurück, da Repressionen und der Boykott der ortsansässigen jüdischen Einzelhandelsgeschäfte viele Familien zur Auswanderung zwangen. Bei dem Pogrom vom 9. November 1938 wurde die Synagoge geschändet und die Inneneinrichtung stark beschädigt; das erst neun Jahre alte Gebäude blieb jedoch erhalten und wurde in den folgenden Jahren als Lagerhaus zweckentfremdet.
1942 erfolgte die Deportation der etwa 100 noch in der Stadt lebenden Juden in die Vernichtungslager. Unmittelbar nach der Besetzung der Stadt durch US-amerikanische Truppen im Frühjahr 1945, noch vor der Kapitulation des NS-Regimes, fand in der provisorisch wiederhergestellten Synagoge unter der Leitung eines amerikanischen Feldgeistlichen der erste jüdische Gottesdienst im befreiten Teil Deutschlands statt. Mit Unterstützung der amerikanischen Besatzungsstellen entstand unter Mitarbeit von US-Soldaten, Holocaust-Überlebenden und zurückgekehrten Emigranten bald eine neue jüdische Gemeinde. Die Synagoge wurde renoviert; eine umfangreiche Sanierung folgte in den 80er Jahren. Die jüdische Gemeinde entwickelte sich in den Jahrzehnten nach Gründung der Bundesrepublik zu einem wichtigen, am Kulturleben der Stadt in vielfältiger Weise beteiligten Faktor des gesellschaftlichen Lebens; gegenwärtig (Frühjahr 2006) gehören ihr etwa 350 Gläubige an. Bad Nauheim ist Sitz des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Buber-Rosenzweig-Stiftung; im Jahre 2005 fand die bundesweit beachtete Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille an den Dirigenten Daniel Barenboim im Bad Nauheimer Kurtheater statt.
Quelle: wikipedia